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Getting to equal – Ideen für eine gleichberechtigte Berufswelt

Es steht außer Frage, dass die Tech Industrie verändert hat, wie unsere Gesellschaft lebt. Wir können dank Videotelefonie mit Freunden um den Globus chatten, wir können mit Smart-Home-Lösungen von unterwegs unsere Heizung steuern, Supermarkteinkäufe von der Couch aus tätigen, mit dem Smartphone unsere Fitness und Gesundheit überwachen, uns von A nach B navigieren lassen, durch Spracherkennung die Wohnung mit Musik beschallen und vieles mehr. Ohne Technologie geht heutzutage nichts mehr – sie betrifft uns alle, ob weiß, ob schwarz, ob jung oder alt, ob Frau, Mann oder divers. Vor diesem Hintergrund ist es umso verwunderlicher, dass die Industrie, die verantwortlich für die Entwicklung dieser Anwendungen ist, die Gesellschaft in ihrer Diversität* immer noch nicht repräsentiert.

* Obgleich Diversität mehr als bloß das Geschlecht betrifft, konzentrieren wir uns in diesem Artikel auf Frauen.

Dabei ist Frauenförderung seit 2017 „en vogue“. Es werden z. B. Women Leadership Awards verliehen und Netzwerkinitiativen, die Frauen in digitalen Berufen sichtbar machen, schossen wie Pilze aus dem Boden. Das Thema schmückt sich. Auf Titelseiten, in Social Media, überall eignet es sich hervorragend für Klicks, Engagement, Diskussion. Es ist Mode. Doch das ist die Crux: So lange Frauenförderung noch Mode ist und es für Aufschrei sorgt, wenn eine Frau in eine verantwortungsvolle Position berufen wird, ist es eben noch zu wenig Alltag. Die Überbetonung in den Medien ist geradezu ein Symptom dafür, dass Frauen in einem Industrieland wie Deutschland noch nicht die gleichen Berufschancen wie Männer haben. Geschweige denn, dass sie die gleiche Bezahlung erhalten oder Gründerinnenteams die gleiche Summe Venture Capital wie ihre männlichen Kollegen bekommen. Solange es noch regelmäßig Thema ist, ob ein Mensch, der in der öffentlichen Diskussion auf das Merkmal Frau „reduziert“ wird, an der richtigen Position sitzt, ist es noch nicht normal.

Was Frauen wollen – und was nicht

Sie wollen, wenn sie sich lieber im Hintergrund aufhalten, weder als zu mädchenhaft belächelt noch umgekehrt als zu bossy betitelt werden, wenn sie für ihre Ziele einstehen. Sie wollen weder besonders hervorgehoben und schon gar nicht wollen sie übergangen werden. Sie wollen einfach nur als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden, der alle Chancen hat, wie Männer auch, ohne sich für den jeweils eingeschlagenen Lebens- und Karriereweg in irgendeiner Weise rechtfertigen zu müssen. Sie wollen so sein, wie sie sind, ohne die „besseren“ Männer zu sein.

Doch der aktuelle Stand der Wahrnehmung ist aktuell so: Eine Frau, die an der Spitze eines (Tech-) Unternehmens steht, ist noch so selten, dass sie von den Medien als „Powerfrau“ bezeichnet wird. Die Wahl der Worte suggeriert: Die durchschnittliche Frau hat keine „Power“. Oder lesen Sie bei einem Mann, der in eine Führungsposition berufen wurde, den Beisatz „Powermann“? Eben.

Die Frage ist also: Wie kann eine zeitgemäße Frauenförderung aussehen, ohne den Kampf der Geschlechter noch zu befördern?

In den letzten Jahren bedeutete Frauenförderung noch, Frauen so zu verändern, damit sie ins System passen. Demnach sollten Frauen einfach ein paar Regeln beachten, z. B. aggressiver auftreten oder sich in einer bestimmten Art und Weise kleiden, um Karriere zu machen. Doch dies suggerierte: Frauen, ihr seid nicht so okay, wie ihr seid.

Mittlerweile geht das Verständnis von Frauenförderung zum Glück in die Richtung „Fix the system – not the women!“. Mit den Frauen ist nämlich alles in Ordnung! Bloß das System, das historisch gewachsen männlich geprägt ist (bis zum Jahre 1977 hatten Ehemänner schließlich noch Mitspracherecht darüber, ob ihre Ehefrau arbeiten gehen darf), ist (noch) nicht für sie ausgelegt. Denn wie Sie sicherlich bereits wissen: In die Führungsetagen werden die befördert, die den dort sitzenden Thomassen und Michaels ähneln. Das Gefährliche daran: Wenn das Thomas-Prinzip sogar noch bis weit in die unteren Hierarchiestufen wirkt.

Diese homogene Besetzung ist weder gut für die Gesellschaft, noch für die Unternehmen. Ein Comic illustriert dies besonders gut: Eine (weiße) Herrenrunde sitzt am Konferenztisch und wundert sich, dass keine neuen, innovativen Ideen aufkommen. Die Produkte, die von diesen Menschen mit ähnlicher Sozialisation und ähnlichen Erfahrungswerten entwickelt werden, können es folglich auch nicht sein. Wie soll Deutschland unter diesen Bedingungen dauerhaft innovativ bleiben? Ist es da einfach kein Wunder, dass die Tech Konzerne unisono aus den USA kommen? Die aktuellen Zahlen der AllBright Stiftung, die jährlich den Frauenanteil in Vorständen der Unternehmen führender Industrienationen untersucht, zeigen: Deutschland ist Schlusslicht.

Doch was neben der mangelnden Innovationsfähigkeit oft vergessen wird: Diversität ist sogar zum Wettbewerbsfaktor fürs Recruiting junger Talente geworden. Für die Millenials („Gen Z“, 1995 bis 2010 Geborene) spielen Gender Equality und kulturelle Vielfalt eine größere Rolle bei der Arbeitgeberwahl als für andere Altersgruppen. Für gut ein Viertel der Millenials ist Diversität und Inklusion einer der entscheidenden Faktoren, während es altersübergreifend nur 16 Prozent sind.

Vom Kampf zur Mitarbeit – Von Frauenförderung profitieren alle

Auch wenn die aktuelle Coronakrise besonders herausfordernd für Familien mit betreuungs- bzw. schulpflichtigen Kindern ist, so hat sich doch gezeigt: Es bewegt sich plötzlich Einiges, wenn man zur Veränderung gezwungen ist! Führungskräfte führten ihre Teams plötzlich remote über Videokonferenzen, welche durchaus mal vom Kleinkind unterbrochen wurden. Das bewies: Um Führungskraft zu sein, muss man nicht dauerhaft bei den Kolleg*innen vor Ort sein, Führung geht auch aus dem Home Office!

Die Not machte erfinderisch und so wurde an mancher Stelle auch ein 8-Stunden-Arbeitstag in mehrere Zeitslots unterteilt, um zwischendurch Kinderbetreuung oder Haushaltsaufgaben nachgehen zu können. Mit der Digitalisierung ergeben sich neue Chancen für Frauen. Doch auch Männer können von dieser Flexibilität profitieren – vorausgesetzt, die Möglichkeiten bleiben nach der Pandemie bestehen.

Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Eine zeitgemäße Frauenförderung vermeidet es um jeden Preis, Frauen gegen Männer aufzuhetzen. Stattdessen schließt sie die Männer ausdrücklich mit ein. Denn ein neues Frauenbild bedeutet automatisch auch ein neues Männerbild. Männer kämpfen mit tradierten Rollenvorstellungen, nach denen sie die Rolle des Ernährers übernehmen sollen, während die Frau die hauptsächliche Familienarbeit übernimmt. Leider gibt es immer noch genügend Betriebe, die bei mehr als zwei Monaten Elternzeit für den Mann streiken und selbst diese zwei werden noch oft genug belächelt.

Dass die Politik handeln muss, ist klar, doch wie wir wissen, mahlen die Mühlen langsam. So sind z. B. die 160 Börsenunternehmen des DAX, MDAX und SDAX gesetzlich dazu verpflichtet, Zielgrößen für die Steigerung des Frauenanteils in ihren Vorständen zu veröffentlichen. Problem dabei: Die Zielgröße null ist auch erlaubt – und ganze 34 Prozent machen von dieser Regel Gebrauch. Damit haben sich 55 der 160 Unternehmen entschlossen, ihre bisherige Strategie mit rein männlicher Führung bis zum Jahr 2022 weiterzuverfolgen.

Erschreckend ist: Sollte die Politik keinerlei Quote einführen und auch keinerlei weitere Bestrebungen unternehmen, um die gleiche Teilhabe von Mann und Frau zu fördern, soll Untersuchungen zufolge die vollständige Gleichberechtigung erst im Jahr 2133 erreicht sein.

Deshalb ist jede und jeder Einzelne gefragt, daran etwas zu ändern! Sehen Sie die folgende Liste deshalb unbedingt als Inspirationsquelle, aber nicht als vollständig an. Schreiben Sie uns und bringen Sie Ihre Ideen und Erfahrungen ein, wie eine zeitgemäße Frauenförderung im Unternehmenskontext aussehen kann. Wir freuen uns über Ihren Beitrag!

Getting to equal – Ideen für eine zeitgemäße Frauenförderung

  • Experimentieren Sie mit Führung in Teilzeit und Tandem-Führung – Wenn klar ist, dass eine Führungskraft nicht mehr Vollzeit präsent sein muss, ist davon auszugehen, dass auch mehr Frauen Lust auf den Job haben.
  • Journalisten und Medienmacher: Reduzieren Sie eine Frau nicht auf ihre Rolle als Quotenfrau und reduzieren Sie den Lebenslauf einer Frau nicht auf das Merkmal „Mutter von x Kindern“. Sparen Sie sich insbesondere die Frage, wer während des beruflichen Engagements auf die Kinder aufpasst. Hören Sie auf mit vergifteten Komplimenten.
  • Eventbetreiber und Talkshowmoderatoren: Präsentieren Sie neben den Männern mindestens genauso viele Frauen auf der Bühne. Rednerinnen, Referentinnen und Moderatorinnen finden Sie bei der Initiative https://speakerinnen.org/
  • Referenten: Hinterfragen Sie, ob Sie Teil einer Talkrunde oder Veranstaltung sein wollen, bei der keine einzige Frau eingeladen ist. Trauen Sie sich, Ihre Teilnahme bei solch einseitigen Runden abzusagen oder sorgen Sie mit einer Empfehlung einer Frau für eine höhere Diversität.
  • In Schule und Studium: Öffnen Sie geschützte Räume für Mädchen, die sich für Technik begeistern. Lassen Sie Mädchen und junge Frauen von anderen Frauen an Orten lernen, an denen sie die Förderung erhalten, die sie brauchen. So gibt es z. B. an der Hochschule für Technik in Berlin einen reinen Frauenstudiengang für das Fach Informatik. Diese geschützten Räume werden (leider) solange notwendig sein, wie andere Räume für Frauen nicht vollständig zugänglich sind oder sie sich dort weiterhin sexistische Kommentare anhören müssen.
  • Geschäftsführer und Personaler: Schenken Sie Ihren Mitarbeiter*innen Schulungen über „Unconscious Bias“ – unsere unbewussten Vorurteile. Fest steht: Wir haben sie alle. Doch erst, wenn wir uns bewusst darüber sind, wie sehr wir unsere Mitmenschen noch in Schubladen stecken, können wir daran arbeiten, diese zu beheben. Befreien Sie das Thema „Diversity & Inclusion“ aus seiner Stiefkind-Rolle und geben Sie diesem Thema das gleiche Budget wie dem hippen, internen Start-up-Programm.
  • Wenn Sie in Ihrer Karriere schon viel erreicht haben: Bieten Sie sich als Mentor oder Mentorin für jüngere Kolleginnen an. Persönliche Vorbilder zeigen allen anderen: Es geht! Da kann ich auch mal hinkommen!
  • Ihr Unternehmen hat bereits einen Frauenanteil von 30 Prozent in den obersten drei Führungsetagen?! Glückwunsch! Teilen Sie Ihre Lernerfahrungen auf dem Weg dahin unter der Kampagne #30mit30 der Digital Media Women e. V.
  • Alle Frauen: Unterstützen Sie sich gegenseitig! Bilden Sie Netzwerke, Partnerschaften, Erfolgsteams. Reden Sie nicht schlecht hinter dem Rücken über die eine Kollegin, die selbstbewusst für ihre Ziele einsteht. Auch, wenn die Art und Weise, wie sie das tut, Ihnen persönlich nicht gefällt. Der größte Feind der Frau ist – und das sage ich als Frau – immer noch die andere, neidende Frau – nicht die Männer. Und lassen Sie sich bitte nicht einreden, Sie wären eingebildet, wenn Sie öffentlich über Ihre Erfolge sprechen!

Viele Diskussionen in Sachen Gleichberechtigung sind in Deutschland aktuell noch auf die Quote und die gendergerechte Sprache fokussiert. Das mag daran liegen, dass diese Themen einfach nachzuvollziehen sind und damit extreme, zueinander gegensätzliche Positionen erlauben. Entweder Sie sind dafür oder dagegen – dazwischen scheint es erstmal nichts zu geben. Wie bei allen Themen der Veränderung zeigt sich der Fortschritt daran, ob auch Zwischenpositionen möglich sind und die Diskussion sich zu einem „sowohl als auch“ öffnet. Das wird wohl noch etwas dauern. Bis dahin gilt: Lassen Sie sich nicht entmutigen! Empfehlen Sie Frauen aus Ihrem Netzwerk weiter, teilen Sie Ihre Erfahrungen und versuchen Sie sich an ein paar der Ideen aus diesem Artikel.

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unseren Austausch

achtwert Portrait Steffen Oechsle